Heimkehren by Yaa Gyasi

Heimkehren by Yaa Gyasi

Autor:Yaa Gyasi [Gyasi, Yaa]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783832189655
Herausgeber: Dumont
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


TEIL 2

H

Drei Polizisten waren nötig, um H niederzuringen, vier, um ihn in Ketten zu legen.

»Ich habe nichts getan!«, rief er, kaum dass sie ihn in die Gefängniszelle gesteckt hatten, aber es war niemand mehr da. Nie zuvor hatte er Leute so schnell verschwinden sehen, und er wusste, dass er ihnen Angst machte.

Er zerrte an den Gitterstäben, überzeugt davon, dass er sie aus der Verankerung brechen könnte, wenn er wollte.

»Hör auf damit, bevor sie dich umbringen«, sagte sein Zellengenosse.

H kannte den Mann vom Sehen. Vielleicht hatte er sich sogar schon mal mit ihm auf einer der Farmen im Bezirk als Erntearbeiter verdingt.

»Mich kann keiner umbringen«, sagte H. Er drückte noch immer gegen die Stäbe und spürte, wie das Eisen unter seinen Händen nachzugeben begann. Dann legte ihm sein Zellengenosse die Hände auf die Schultern. H drehte sich so schnell um, dass der andere Mann keine Zeit hatte zu reagieren, bevor ihn H am Hals gepackt und hochgehoben hatte. H war über einen Meter achtzig groß, und er hielt den Mann so hoch, dass sein Kopf gegen die Decke stieß. »Fass mich nie wieder an«, sagte H.

»Du glaubst, dass dich die Weißen nicht umbringen werden?«, sagte der Mann langsam mit gepresster Stimme.

»Was habe ich getan?«, fragte H. Er stellte den Mann auf dem Boden ab, und der ging keuchend auf die Knie.

»Sie sagen, dass du eine weiße Frau belästigt hast.«

»Wer sagt das?«

»Die Polizei. Hab gehört, wie sie drüber geredet haben, was sie sagen sollen, bevor sie losgezogen sind, um dich zu holen.«

H setzte sich neben den Mann. »Mit wem soll ich gesprochen haben?«

»Cora Hobbs.«

»Ich habe mit keinem Hobbs-Mädchen geredet«, sagte H, erneut wütend. Wenn schon Gerüchte über ihn und eine weiße Frau in Umlauf waren, dann hätte er gehofft, es ginge um ein hübscheres Mädchen als die Tochter seines alten Bosses.

»Hör mal, Junge«, sagte sein Zellengenosse und schaute dabei so hämisch drein, dass H plötzlich unerklärlicherweise Angst vor dem kleineren, älteren Mann hatte. »Egal, ob du es getan hast oder nicht. Sie müssen nur behaupten, dass es so war. Mehr braucht’s nicht. Glaubst du etwa, dass du sicher bist, nur weil du stark bist und viele Muskeln hast? Nah, diesen Weißen gefällt dein Anblick nicht. Wie du so frei wie ein Vogel rumläufst. Niemand will einen schwarzen Mann rumlaufen sehen wie dich, stolz wie ein Pfau. Als hättest du kein bisschen Angst.« Er lehnte den Kopf an die Zellenwand und schloss kurz die Augen. »Wie alt warst du, als der Krieg vorbei war?«

H versuchte, es auszurechnen, aber mit Zahlen hatte er noch nie etwas anfangen können, und der Bürgerkrieg war so lange her, dass die Jahre Hs Rechenkünste überstiegen. »Weiß nicht. Ungefähr dreizehn, glaube ich«, sagte er.

»Hm, hm. Das habe ich mir schon gedacht. Du warst jung. Sklaverei ist nichts weiter als ein Splitter in deinem Auge, was? Wenn’s dir noch niemand gesagt hat, dann sag ich’s dir. Der Krieg ist vielleicht vorbei, aber die Sklaverei nicht.«

Der Mann schloss wieder die Augen. Er drehte den Kopf an der Wand von links nach rechts, von rechts nach links.



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